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Unser Weg zurück in den Alltag

Während ich diese Zeilen hier schreibe, fährt gerade das Auto des Gatten im Hof vor.
Es ist kurz vor 21 Uhr am Freitag Abend und nach einem sehr langen Arbeitstag – heute in Hamburg – wird es nicht lange dauern, und der mir Angetraute schlummert erschöpft auf der Couch ein.
Und das ist in Ordnung so, denn DAS ist normal. Das ist Alltag.

Ebenso, wie die Mittlere heute Abend nicht zu Hause ist.
Denn heute darf sie bei ihrer Freundin übernachten. Heute habe ich es ihr erlaubt.
Heute musste ich es ihr sogar gewähren, wenngleich ich aus Gründen kein großer Fan von Übernachtungs-Parties bin.
Sowohl bei uns, als auch wenn die Kinder außer Haus schlafen möchten.
Doch auch wenn ich weiß, dass mein Kind in dieser Nacht wohl nicht viel zum eigentlichen Schlafen kommen wird, so hat sie Eines genau jetzt verdient:
Normalität und Alltag!

Der Sohn verweilt oben in seinem Zimmer, denn Freitags (und nur dann) darf er nach einer normalen Schulwoche die Playstation wieder anschalten.
Auch das sei ihm gegönnt, ganz genau so wie die Kleinste nun gerade faul auf dem Sessel lümmelt, noch ein bisschen wach bleiben und den dümmlichen Geschichten von Familie Peppa-Sackgesicht-(Pardon!!)Wutz folgen darf.
Ja, das darf mein kleinstes Kind nun.
Denn all’ das ist normal und hin und wieder unser kleiner Familien-Alltag.
Und genau diesen möchte ich für meine Kinder nach dem gestrigen Tag erkämpfen und wiederherstellen.

Es war schwer

Wir sind gestern gemeinsam einen sehr schweren Weg gegangen.
Hand in Hand als Familie. Bewusst.
Denn unsere Kinder durften uns zur Beisetzung meiner geliebten Oma begleiten.

Das erste Mal erfuhren alle drei Kinder gemeinsam eine Begegnung mit dem Sterben und dem endgültigen Abschied.
Und ich hatte große Angst davor, das muss ich an dieser Stelle zugeben!
Ich wusste nicht, was eine derartige Erfahrung bei meinen Kindern auslösen wird.
Und dennoch hielt ich es für gleichermaßen wichtig und essentiell!
Trauer und Leid zuzulassen!
Auch Kindern diesen Raum zu gewähren. Um zu fühlen, verstehen und zu begreifen.
Um sich verabschieden zu können und Demut vor dem Leben zu erlernen.
Wir haben viel gesprochen die letzten Tage. Über das Leben – und auch über den Tod.

Wenn Kinder trauern

Ich merkte, wie alle drei Kinder Trauer auf unterschiedlichste Weise lebten und zum Ausdruck brachten.
So, wie sie nun auch einmal im echten Leben gänzlich unterschiedlich sind.
Da ist das eine Kind, welches herzzerreißend weint und zutiefst emotional leidet.
Welches Gefühlen freien Lauf ließ und nach vielen Fragen und Gesprächen seinen ganz eigenen Weg fand, Trost und Frieden mit der Situation zu finden.
So sehr, dass es tatsächlich möglich war, die Fünfjährige mit zur Trauerfeier zu nehmen.
So sehr, dass es dem Kind gelang, leise Tränen zu vergießen und Dinge anzunehmen.

Vielmehr als das, in eben jenem schmerzlichen Moment des Abschieds war ICH froh, mein kleinstes Kind bei mir auf dem Schoss sitzen zu haben!
Denn dieses Mal war sie es, die mir Halt gab und welche ich mit zittrigen Armen umschloss.
Ich beobachtete den Sohn, stets still und heimlich leidend, wie er Tränen freien Lauf ließ und die Mittlere, welche erst zum Zeitpunkt des endgültigen Abschieds zu verstehen schien.
Und all das war in Ordnung so und standen wir gemeinsam als Familie durch!

Ich lernte ebenfalls, wie sich solche Geschehnisse auch auf andere Art und Weise bei Kindern auswirken können und bemerkbar machen.
Als am Abend eines Tages, welcher hätte nicht aufwühlender können sein, mein Kind vor mir stand.
Splitterfasernackt (sie sollte eigentlich gewaschen und in’s Bett gebracht werden) und in Tränen aufgelöst schluchzend.

Was war geschehen?

Aber warum? Was war geschehen?
Ich hatte in den vergangen Tagen die Kleiderschränke der Kinder ausgemistet.
Textiles Tabula rasa vom Feinsten!
Ich berichtete bereits darüber, dass den Kindern kaum noch Kleider passen und dringendst ausgemistet werden muss.
Und zugegebenermaßen: Ich brauchte auch diese stupide Ablenkung!
Was mir in meinem Wahn jedoch nicht in den Sinn kam, war die – leider relativ hohe – Wahrscheinlichkeit, dass mein jüngstes Kind den Korb mit den ausgewählten Kleidungsstücken in Tüten (ich verpacke immer alle in Tüten UND Kartons) vorfinden könnte.
BEVOR ich alles eiligst habe auf dem Dachboden verschwinden lassen.

Ich weiß nicht, ob es die Ereignisse der vergangenen Zeit waren oder eine Eigenart und klitzekleine Macke, welche ohnehin schon seit jeher in meinem Kind steckt. Von Verlustängsten geplagt kämpfte und schrie mein Kind aus Leibeskräften – um ein paar simple Kleidungsstücke.

Nun, mein wildes Kind wird in Zukunft mit Glitzer-Strickjäckchen in Größe 104/110 herumlaufen.
Möglicherweise könnte auch aus dem ein- oder anderen T-Shirt das Kullerbäuchlein heraus ploppen – also wundert Euch nicht!
Ich war und bin zu müde, dem Kind den Irrsinn seines Vorhabens zu erklären.

Außerdem konnte ich ihr nicht auch noch das nehmen!

Es wäre zu viel und herzlos an nur einem einzigen Tag gewesen.
Hege ich doch den Verdacht, die zum Ausbruch gekommenen Ängste haben ihren Ursprung sicherlich nicht in bunt bedruckten Frühlings-Kleidchen aus der vorherigen Saison.

Abschied nehmen ist verdammt schwer, tut unheimlich weh und Schmerz äußert sich auf die unterschiedlichste Art und Weise.

Der Alltag möchte uns wieder!

Pünktlich um 06.10 Uhr heute morgen forderte der Alltag uns wieder heraus.
Wollte gelebt und angenommen werden.
Nun, den Kindern scheint dies in der Tat ganz gut zu gelingen.

Mir nicht ganz so.
Noch immer plagen mich Fragen und Schuldgefühle.
Noch immer bin ich rastlos auf der Suche.
Nach Fotos, nach Erinnerungen, die belegen, dass wir eine schöne gemeinsame Zeit hatten.
Meine Oma und ich.
Auch wenn ich zuletzt so sehr in meinem eigenen kleinen Familien-Universum gefangen war.

Diese Suche nach dem Verstorbenen in Form von Bildern und Erinnerungen – es ist ein normaler Prozess des Trauerns.
Ebenso wie ich hin und wieder noch auf den Boden sinken muss.
Ich hocke da, einfach so –  und starre Löcher in die Luft.
Bin zu erschöpft, im Alltag fortzufahren, so als sei nie etwas gewesen.
Das sind nur Minuten und Bruchteile inmitten eines ausgefüllten Tages mit Haus, Kindern und vielen unterschiedlichen Aufgaben.
Doch auch dies zeigt mir, dass ich noch nicht ganz so normal wie nur möglich weitermachen kann.
Heute kann ich keine Tränen mehr vergießen – doch der Schmerz sitzt tief.
Ich ertappte mich dabei, wie ich sinnfrei auf’s Handy starre, als erwarte ich mir vom bunten Display Antworten auf für immer offene Fragen.

Und doch hatte dieser Tag heute auch schöne und lustige Momente!

Und die werden wieder vermehrt vorkommen und ganz allmählich wird er sich wieder in unser Leben einschleichen:
Der Alltag.

Da war der Moment, in dem ich – auf  Knien rutschend – auf dem Dachboden in Kartons wühlte.
Auf der Suche nach Kinderschuhen, welche ich dringendst aussortieren wollte (Ihr versteht: Ablenkung!).
Ich fand eine überdimensionale Karte des Mannes, welche er zum Abschied  seiner Zeit in Toronto geschenkt bekam.
Sebinator” steht in großen Buchstaben geschrieben auf der Karte.
Und ich musste lauthals lachen!
Denn ich vergaß, dass die Kollegen der kanadischen Bank meinen damaligen Freund so nannten!
Erinnerungen an eine tolle gemeinsame Zeit in der Metropole wurden wach – und einen Karton später auch Erinnerungen an eine Zeit als ganz junges Paar.
Vor den Kindern.

Ich erinnere mich an den Moment, in dem ich heute Nachmittag mein stolzes Kind nach dem Schwimmunterricht in die Arme schloss.
Warm und nass im pink-blauen und mittlerweile viel zu kleinen Kapuzenhandtuch.
Wie sie mir mit leuchtenden Augen von der Schwimmstunde berichtete und so sehr dem heiß ersehnten Seepferdchen entgegen fiebert.

Und all das ist mein Leben!

Es sind solche kleinen, banalen Dinge, die sich nun wieder einmogeln möchten!
Die sich Alltag nennen und die ab jetzt wieder wertgeschätzt werden wollen!

Die Oma lebt in unser aller Herzen weiter und lacht uns jetzt auf ihrem letzten Bildchen von der Küchen-Pinnwand entgegen!

Eure 

Alex

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