Ich habe das perfekte T-Shirt für sie gefunden.
Es scheint genau das wiederzuspiegeln, was sie ist.
Und so musste ich es einfach bestellen, wenngleich es im ersten Moment nicht genau das ist, was sie sich ursprünglich wünschte.
Ein Geburtstags-T-Shirt wollte sie haben, eins mit einer 5 drauf. Doch alles was ich unter dieser Vorgabe im Mädchen-Sortiment des wohl fast weltweit größten Versand-Händlers fand, waren Zahlen verziert mit Krönchen, vorzugsweise in pink und rosa.
DAS ist aber nicht mein Kind!
Meine Tochter ist keine Prinzessin
Eine Rolle, in die sie zwar tatsächlich ab und an gerne mal schlüpft, die ihr aber vielmehr auferlegt wurde! Weil Mädchen halt drauf stehen und es ihr vorleben.
Im Kindergarten. Weil ihr die Masse beibrachte, dass Mädels Kleider und Röcke tragen wollen und Einhorn-Parties feiern möchten.
Und ja, beides liebt auch mein Kind heiß und innig und beides lässt auch bei ihr zumindest ein Herz höher schlagen!
Doch hege ich den Verdacht in der Brust dieses wunderbaren Mädels schlagen gleich zwei Herzen! Denn mindestens eines davon ist lebhaft, laut, frei, stark, selbstbewusst und vor allem wild. Sehr wild. Eines der Herzen hüpft und springt voller Elan auf der Wohnzimmercouch und wirft – sehr zu meinem Ärgernis – sämtliche Kissen jubelnd durch die Gegend. Und dennoch: Wunderbar sind beide Herzen, das weiß ich aus dem tiefsten und innersten meines ganz Eigenen!
Aber was zeigt nun das Shirt?
Nun es ist ein Geburtstags-T-Shirt. Dem Wunsch kommt es also gerecht.
Doch zeigt es weder die Zahl 5, noch ist es pink oder gar mit einem Krönchen verziert! Nein! Und doch vereint es all’ ihre Vorlieben.
Es befindet sich ein Einhorn darauf mit Mähne und Schweif in Regenbogenfarben!
Der Traum eines jeden kleinen Mädchens. Doch lächelt dieses Einhorn nicht artig vom Shirt. Es macht vielmehr, ganz cool und lässig den “Dab”. Eine Geste, die meine Kleinste selbstverständlich schon längst beherrscht und stets stolz den großen Bruder nachahmt. Darunter steht folgender Satz:
“Awesome since 2013”
(Ja, Sorry für’s Englisch, aber so steht’s halt drauf)
Ebenfalls in Regenbogenfarben.
Das Shirt allerdings bestellte ich im schlichten Himmelblau.
Yes! Genau mein – pardon IHR – Ding! 😉
Denn genau das ist sie! Fantastisch! Wild, frech und wunderbar!
Und das nunmehr seit fünf Jahren.
Dieses Kind, das ich mir so sehr noch von Herzen wünschte, das einfach noch gefehlt hatte. Und schneller zu uns kam, als ich es mir hätte erträumen können! Als hätte sie nur darauf gewartet, auf unsere Entscheidung. Hätte sich bereits heimlich irgendwo um die Ecke versteckt, um dann ihre Chance zu wittern. Sie bescherte mir die unbeschwerteste und leichteste Schwangerschaft von allen, die schnellste und “schmerzfreiste” Geburt.
“Das macht man nicht, drei Kinder”
wurde uns vor Jahren einmal gesagt. Weil’s nicht schick ist und wir bereits das klassische Modell ja hatten. Erst der Junge, dann das Mädchen. Reicht doch.
Nein! Sie fehlte!
Und ich danke Gott für jeden Tag, den dieses Kind uns nun schon bereichert!
Doch ist es nicht immer einfach, Mutter des wilden Kindes zu sein.
Sie ist anders. Lauter, selbstbewusster, selbstbestimmter! Das sehe und beobachte ich. Mein kleines Mädchen hat alle um sich herum fest im Griff. Die Geschwister, deren Freunde und nicht zuletzt: Mich!
Mit ihrer Fröhlichkeit und diesem unschlagbaren Strahlen wickelt sie jeden um den Finger, geschickt weiß sie es, Knöpfe zu drücken und zu manipulieren.
In gleicher Weise kann sie jedoch auch zutiefst unangenehm und ekelhaft werden, geht es nicht nach ihren Vorstellungen. Dann zucken selbst die Geschwister vor dem kleinen Mädel zusammen. Und ja: Dieses Kind treibt mich nicht selten an den Rande des Wahnsinns! Wir geraten aneinander und streiten, ich spüre meine Grenzen und fühle mich nicht selten verzweifelt ob meiner erzieherischen Hilflosigkeit und Ratlosigkeit.
Sie ist eine starke Person und ich liebe mein Kind von ganzem Herzen!
Aber ich stoße auch auf Kritik und Widerstand. Mit diesem wilden Kind.
Weil sie dann nicht der Norm und den üblichen Vorstellungen entspricht. Nicht dem Bild eines kleinen, wohlerzogenen, ruhigen und schüchternen Mädchens. Nicht dem einer Prinzessin. Weil sie nicht apathisch in der Ecke sitzt und stundenlang Mandalas ausmalt! Weil sie nicht mit leiser piepsiger Stimme die neuesten Kindergarten-Lieder trällert. Nein, mein Kind, der “Lautsprecher”, singt aus Leibeskräften. Vorzugsweise Lieder wie “Like mich am A…..”! Seitdem sie allerdings immer “Like mich am Piiiiep” singen soll, hat sie die Freude daran verloren. 😉
Sie ist in allem sehr weit.
Und das sage ich nicht nur, weil das wohl gar jede Mutter voller Stolz von ihrem eigenen Fleisch und Blut behaupten mag. Das ist sie wirklich! Seit nunmehr 2,5 Jahren fährt sie Fahrrad, sie spricht wie ein Wasserfall und hat das größte Vergnügen daran, mit Fremdwörtern und Floskeln nur so um sich zu werfen. Ihr Wortschatz? Unvorstellbar groß! Wenigstens etwas, das sie von mir zu haben scheint! 😉
Ich solle mit ihr zur Ergotherapie gehen.
Sagten zu mir die Erzieherinnen in der Kita.
Probleme mit der Wahrnehmung habe sie. Könne nicht in Ruhe auf dem Stuhl sitzen und sich konzentrieren! Und ich bin verblüfft, wenn nicht gar entsetzt, ob der vermeintlich vielen Mängel. “Mängel”, die mir im Alltag niemals am eigenen, so wundervollen, Kind aufgefallen wären. Nun, da es sich beim Elterngespräch um zwei zwar sehr nette, aber kinderlose Erzieherinnen in den Mittzwanzigern handelte, entschied ich mich seinerzeit, einfach auf Durchzug zu schalten. Bereut habe ich es bis heute nicht! Denn dieses Kind, welches angeblich Ergotherapie so bitter nötig hat, reitet seit mehr als zwei Jahren! Macht Kunststücke auf Pferderücken, balanciert wie ein Weltmeister und steht kurz davor das Seepferdchen zu machen! An Körperbeherrschung und Selbstwahrnehmung kann es eigentlich gar nicht mangeln. Korrigiert mich bitte an dieser Stelle, sollte dies nix mit “Ergo” zu tun haben. Aus genannten Gründen, habe ich mich nicht weiter mit jenem Thema beschäftigt!
Und doch habe ich manchmal die Befürchtung, dieses wild-wunderbare Wesen könnte später einmal mit Dingen wie ADHS diagnostiziert werden. Denn selbst ich sehe mögliche Tendenzen und hoffe, dass es sich in den beobachteten Fällen schlichtweg um Übermüdung handelt und alles sich noch “ein wenig verwächst”. Nicht umsonst werden wir auch dieses Kann-Kind erst kurz vorm 7. Geburtstag einschulen!
Als Mutter des wilden Kindes gerate ich auch in schwierige Situationen:
So kam es mittlerweile dazu, dass ich mich gezwungen fühle, mein eigenes Kind nicht mehr zum Nachmittags-Kita-Unterricht mitzunehmen. Weil ich es aktuell selbst für die bessere Lösung halte. Denn der größte “Widersacher” Mütter wilder Kinder? Das sind Erstlings-Mütter. Mädchen-Mütter. Die Anderen, mit nur einem Kind. Die mit dem schüchternen Mäuschen. Die, deren Kind sich nicht tagtäglich behaupten und durchsetzen muss, weil schon zwei große Geschwister da sind. Diese Kinder haben tatsächlich ein klein wenig Angst vor meinem Kind!
Denn sie selbst wurde eifersüchtig, während des Unterrichts, konnte nicht akzeptieren, dass die eigene Mutter während dieser fünfundvierzig Minuten alle Kinder gleich behandelt. Die Mutter als teacher (so heiße ich wirklich, weil’s auch mit Englisch zu tun hat!)? Für sie eine schwierig vorstellbare Situation. Und so zeigte sich mein ohnehin wildes Kind während jener Stunden umso wilder, trotziger und lauter.
Leider ein No-Go. Und da ich noch keine andere Lösung gefunden habe, zerreißt es mir das Herz, mein eigenes Kind nun wegorganisieren zu müssen. Um gleichaltrige andere Kinder zu unterrichten. Verbunden mit der steten Frage: Ist es das wert?
Allerdings sind ihr auch alle anderen Kinder “zu Baby“, wie sie selbst einst zu mir sagte. Und genau das glaube ich ihr auch!
Denn auch Langeweile und Unterforderung lassen ein wildes Kind noch rebellischer erscheinen und einen Unterricht boykottieren!
Ich würde nicht von zwei Herzen schreiben, gäbe es da nicht auch diese andere Seite.
Ich möchte sie nicht ändern. Mein Kind. Ich liebe sie so, wie sie ist.
Nehme sie genau so an und trotze stark allen Kritiken. Allen entsetzen Blicken anderer Mütter. Allen Ratschlägen und all den verwunderten Blicken, wenn es wieder einmal mein Kind ist, welches das Karussell vor lauter Geschwindigkeit fast aus den Ankern reißt und die Nest-Schaukel des hiesigen Spielplatzes zum Beben bringt!
Nun, ich hoffe das T-Shirt wird ihr gefallen.
Die “5” bekommt sie aber dennoch:
In ganz groß, aufblasbar und pink! Für das liebe Mädchen-Herz in ihrer Brust!
Denn letztendlich ist jedes Kind nur eines:
Einzigartig und wunderbar! Jedes auf seine Art!
Alles Liebe,
Eure