“Essentials” steht auf der Creme einer führenden deutschen Marke, die ich mir mitten in der Nacht auf die eigene Visage schmiere. Essentials! Als ob ich ohne gleich nicht schlafen könnte! Als ob ohne meine eigene Haut nicht in der Lage wäre, sich zu erholen und zu regenerieren. Als sei dies hier und jetzt das Mindeste, was ich für das eigene Spiegelbild tun könnte!
Und ja, vor vielen Jahren, noch vor den Kindern hätte ich dies auch genau so geglaubt und unterschrieben. Und jetzt? Schmier ich nur noch gegen das trockene Gefühl und zugegebenermaßen ein klitzekleines bisschen gegen die Angst, die Zeichen der Zeit nun wirklich nicht mehr aufhalten zu können.
Und dennoch, eitel bin ich auch heute noch!
Nur lebe ich es nicht mehr ganz so aus, wie ich es einst einmal getan hatte.
War früher der kostspielige Drogerie-Besuch in der Mittagspause reinstes Hobby und Zeitvertreib, zieht es mich nur noch ab und an in das Mekka von Glanz, Duft und Glitter. Dann, wenn wirklich alles zu Hause zu Neige geht und die Auswahl beim Supermarkt um die Ecke stark begrenzt ist.
Doch heute ist es wieder soweit! Denn ich möchte wieder strahlen! Ich habe nämlich meinen Glanz, mein “Mojo” verloren!
Blass bin ich geworden
Die sommerliche Frische, die rosigen Wangen und der zart gebräunte Teint?
Alles wieder futsch und weg! Blass fühle ich mich, müde und matt. Nicht besonders schön, nicht besonders selbstbewusst oder gar für’s andere Geschlecht attraktiv, dieser Tage. Und ohne nun auf die Gründe, warum dies denn gerade so ist, näher einzugehen, muss einfach schnell Rettung bei!
Nicht etwa in Form eines ordentlichen Blutbildes, welches Frau stattdessen ja auch einmal machen könnte oder mal wieder die Schilddrüsen-Werte checken.
Nein! Sofortmaßnahmen müssen her! Dringendst!
Ich will in die Drogerie!
Denkste!
Und so finde ich mich zutiefst verzweifelt vor’m meterlangen Schminkregal wieder.
Völlig überfordert und planlos.
Planlos, warum ich nochmal hierher gekommen bin, WAS ich denn nun wirklich zu meinem eigenen Wohlbefinden brauche und vor allem WIE ich die jeweiligen Dinge denn benutzen und anwenden soll!
Hilfe! Was ist aus dem Make-Up-Sortiment von früher geworden!?
Und ich muss an dieser Stelle erläutern: Ich mag zwar eitel und eine überzeugte Befürworterin der täglichen, weiblichen Nassrasur sein, auch gehe ich wirklich nie ungeschminkt aus dem Haus, doch halte ich’s persönlich gerne dezent!
Dezent und gepflegt. Nicht Tussen-mäßig und too much. Künstliche Fingernägel?
Nie gehabt! Flüssiges Make-Up? Noch nie benutzt. Mir reichen Tagescreme und Puder. Lippenstift? Seltenst!
Aber Lidschatten, Brauen-Stift und Wimperntusche finde ich nett! Und das jeden Tag! Doch niemand hat mir verraten, dass es jetzt auch Brauenstifte für den “tätowierten Brauen-Look” gibt!?
Dass die Palette an wählbarem Lidschatten mittlerweile gigantische Ausmaße nimmt und hier die Konsistenz und vor allem “Zubereitung” auch eine große Rolle spielt!?
Wieso muss ich nun die Auswahl zwischen acht verschiedenen Mascara-Schwingungen haben?
Warum ist Lippenstift nicht gleich Lippenstift?
Fast brauche ich kein Rouge mehr, so rot werde ich vor lauter Scham und Ahnungslosigkeit!
Ich weiß wirklich gerade nicht, was ich tun soll und bin ob der Auswahl maßlos überfordert!
Dabei könnte es mir jetzt ganz anders ergehen
Vor vielen Jahren habe ich einmal eine Reportage über ein Dorf am Baikalsee gesehen.
In jenem Dorf, welches aus einer Handvoll Holzhütten mitten im Nirgendwo bestand, gab es exakt einen Laden. Und dieser eine Laden hatte genau eine Sorte Zahnpasta und ein Stück Universal-Kernseife. Das war’s.
Und während ich hier stehe und mir vor lauter Glitter, Glitzer und “Glam” schon ganz schummrig vor Augen ist, frage ich mich, ob jene Dorfbewohner nicht sogar die glücklicheren Menschen sind!
Denn die vergeuden keine wertvolle Lebenszeit mit der Suche nach dem ultimativen Shampoo. Das, welches das Bestmögliche aus unseren Haaren heraus bringt.
Das, welches sie in neuem Glanz erstrahlen lässt, gut verträglich ist, preiswert, duftet und hübsch im Badezimmer-Regal anzusehen ist.
Die sind froh, mit dem Stück Seife, das sie haben.
Froh, nicht die Qual der Wahl zu haben. Ein Problem weniger.
Die Qual der Wahl
Denn ich sehe sie neben mir. Überall!
Mütter mit Babies, junge Mädchen und selbst picklige Jungs. Alle schlendern ratlos durch die Gänge. Bleiben mal hier und dort stehen, mustern die Rückseite von Produkten, legen die Stirn in Falten, halten zutiefst überlegend den Finger an die Lippen und stellen im Anschluss wieder zurück in’s Regal. Bis zum nächsten Produkt.
Und ich weiß es von mir selbst: SO kann gut und gerne mindestens eine halbe Stunde vergehen, bis endlich alles zusammengesucht ist.
Sofern Frau denn überhaupt weiß, WAS sie eigentlich kaufen will.
“Mag nur mal kurz kucken gehen” – ganz übel! Das kann keinen guten Ausgang haben!
Das wissen wir spätestens, seit dem es Schuhläden gibt! Und innerlich beschließe ich, mich das nächste Mal ausdrücklich nur an den zu Hause gut durchdachten Einkaufszettel zu halten! Nicht nach rechts und links zu kucken!
“Ich hab’ da so ‘ne geile App, die sagt mir jeden Tag, welche Produkte jetzt cool und voll angesagt sind”
tönt es hinter mir aus dem Munde eines jungen Mädels.
What!? Ne App für den nächsten Drogerie-Besuch!?
Wir leben also in einer Gesellschaft, in der pubertäre Jungs sich nicht mehr zum Höhlen-Bauen im Wald verabreden, sondern stattdessen Online-Fortnite-Verabredungen treffen und Mädels eine durchgeknallte YouTuberin oder gar ‘ne App benötigen, die ihnen vorgibt, wann sie schön genug sind!
Und vielleicht sollte ich aufgrund jener entsetzen Feststellung nun doch schnell in die “Q10-Abteilung” wechseln oder noch besser nach der Creme für die gaaanz reife Haut suchen!
Ja, ich finde das dämlich und bin vermutlich nicht nur mittlerweile zu alt für H&M, sondern auch für exzessive Drogerie-Einkäufe! Es überfordert mich!
Von der Lächerlichkeit der ganzen überflüssigen Dinge und dem Wahnsinn an Verpackungsmüll mal ganz abgesehen – um mal hier kurz den Moral-Apostel raushängen zu lassen.
In die Falle getappt
Und doch lasse ich heute auch fast eine Summe im dreistelligen Bereich hier.
An diesem Ort des Verderbens.
Im “Garten Eden” jeder Frau, die “noch ein bisschen auf sich achten will”.
Weil auch ich wieder darauf reingefallen bin. Weil ich “in the mood” dafür war.
Weil ich den Drogerie-Besuch genau nach meiner Stimmung plante.
Weil ich wieder glänzen und strahlen wollte!
Weil ich auch als Mama noch eitel bin, dies schon immer war und nun – wenn auch in abgeschwächter Form – verdammt nochmal wieder Frau sein möchte!
Und dafür habe ich heute Einiges springen lassen:
Ich habe nun die Auswahl an zweierlei Lidschatten, Rouge, neuem Lippenstift (von dem ich jetzt schon weiß, dass ich ihn nie benutzten werde), Anti-Aging-Nachtcreme (jaaa, war halt alle), feuchtigkeitsspendender Tagescreme (MIT Q10) und neuem Nagellack für die in Socken versteckten Fuss-Zehen. Naja, und noch ein paar Sachen mehr 😉
Selbst der Sohn hat profitiert.
Denn ich kaufte eben noch schnell Zahnspangen-Reiniger. Im Angebots-Pack.
Ohne zu wissen, dass sich zu Hause ebenfalls noch ein Mega-Multi-Pack befand.
Nun, mit viel Glück wird er die Tabs noch bis ins hohe Alter verwenden können.
Taugen gewiss auch als Gebiss-Reiniger.
Den wird’s dann bestimmt in allen erdenkbaren Farben und Geschmacksrichtungen geben!
MIT passendem YouTube-Kanal und App!
Viel Spaß beim Kosmetik-Shoppen! 😉
Eure