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Ausgebremst und Ausgetrickst?

Gerade komme ich mir ziemlich blöd vor. Ja, genau jetzt, in diesem Moment, als die Mittlere voller Elan ihr Tablet-Spiel spielt. Irgendein nächstes Level hat sie erreicht und freut sich gerade wie Bolle. Während sie hier schön gemütlich auf meiner Couch sitzt. Am Vormittag! Während der Schulzeit. Und so sehr ich sie auch liebe, hege ich nun einen klitzekleinen Groll. Komm’ einfach nicht dagegen an. 

Denn sie konnte nicht laufen am frühen Morgen. Klagte über unerträgliche Schmerzen, unfähig auch nur Socke oder Hose anzuziehen. SO konnte ich das Kind unmöglich in die Schule bringen! Ein Kind, das sich so verhält gehört umgehend zu einem Arzt. Nicht? 

Wenig später befinden wir beide uns im Behandlungszimmer. Und tatsächlich ist ein Muskel verzerrt und die Verhärtung deutlich zu spüren. Geflunkert hat das Kind nicht, doch sicherlich die üblichen 30 Prozent Jammer-Bonus drauf gepackt, so viel sei gewiss.

Und immer wieder stellt sich mir im Nachhinein die Frage:

War das jetzt nötig oder übertrieben? Richtig oder Falsch?

Super-hypochondrische-Heli-Mom oder ist es einfach meine verdammte, nicht anzuzweifelnde Fürsorge-Pflicht?

Denn Fakt ist, ich “schrubbe” Kilometer.

Teilweise für Lappalien, nur weil ich mir keine Vorwürfe machen möchte und meinem Kind das Gefühl geben möchte, Beschwerden durchaus ernst zu nehmen. Weil ich die Gesundheit der eigenen Kinder schlecht gegen andere Dinge aufrechnen kann!

Dabei war die Liste lang. Gestern und auch am heutigen Tag. Wichtige Dinge galt es zu erledigen und der kurze Vormittag so effektiv wie nur möglich zu nutzen. So sehr, dass ich das Gefühl hatte, ohnehin unter Dauer-Strom angestochen und vor allem völlig plan- und strukturlos durch’s Haus zu sprinten. Ob das überhaupt gut gegangen wäre?

Und so scheint es fast, als habe mich das Schicksal (zugegebenermaßen ein tiny-miny-mini Schicksälchen) ein klein wenig ausgebremst.

Die letzten zwei Tage. Mich gezwungen, Pause zu machen, Fristen nicht einzuhalten und Abstand zu gewinnen. Auch was diesen Blog hier betrifft. Ich war am Rotieren, wollte geplante Veröffentlichungs-Termine strikt einhalten und Projekte vorantreiben. Und ließ letztendlich alles brach liegen. Wurde mal wieder gebremst und schreibe jetzt außerplanmäßig eben diesen Text hier. 😉
Und das ist auch mal in Ordnung so!

Hätte ich nicht erst gestern fahren müssen!

Denn da war’s der Sohn.
Er wollte irgendwie von Anfang an nicht so richtig zur Geburtstagsfeier in den hiesigen Freizeitpark. Am Tag zuvor. Irgendetwas lag wieder in der Luft, doch sich drücken war meiner Meinung nach keine Option. Weil er sich immer erst einmal überwinden muss. Weil ich eigentlich aber genau weiß, es benötigt etwas Zeit, bis er auftaut und mit der Situation warm wird.

Dann der Anruf. Exakt 30 Minuten, nachdem wir uns am Park-Eingang verabschiedet hatten. Ein Kind habe den Finger beim wilden Hüpfen umgeknickt und eine sofortige Abholung sei seiner Meinung nach nunmehr mehr als angebracht.

Nun, so schwer es mir fiel, blieb ich letztendlich dennoch standhaft.

So schlimm konnte es unmöglich sein! Klar wurde der Daumen im Anschluss an die Party von mir höchst fürsorglich geschmiert und (professionell unprofessionell) eingepackt, einen sonderlich verletzten Eindruck machte er rein optisch jedoch nicht.

Am nächsten Vormittag stand ein Fussball-Spiel an. Und wieder der Daumen.
Der laut Aussage des Sohnes fürchterlich schmerzte. In mir brodelte es, nicht nur wegen der inneren Zweifel, Zerrissenheit und dem unentschlossenen Gefühl, sondern auch ob der Vermutung, das ganze Theater zelebriere der Sohn einzig und allein des frühen Spieles wegen. Weil Ausschlafen ja schöner ist.
Unweigerlich folgte die übliche Teufel-Engel-Kiste. Der Teufel in mir hegte bereits Rache-Pläne für die lange Wartezeit beim Notdienst und packte hämisch grinsend Vokabelheft und Methoden-Planer der Schule in die mütterliche Handtasche.

Während der Engel kleinlaut und verschreckt auf der anderen Seite hockte und das arme Kind bedauerte. 

Wir landeten also letztendlich in der Zentralen Notaufnahme des Provinz-Krankenhauses.
Kurze Zeit später lehnte sich der Engel in mir selbstgefällig zurück:
Dem Sohn wurde mittels Kytta-Verband (ach was! 😉 ) geholfen, gebrochen war nix und mangels Frequentierung an diesem sonnigen Sonntag-Nachmittag blieb auch die boshaft erhoffte Wartezeit aus.
Pech gehabt Teufel! 😉

Aber war es nun richtig gewesen zu fahren?

Nun, ich vermute auch im gestrigen Fall hätte ich so oder so falsch gehandelt. Ich habe nunmehr meinen Sohn unnötiger Röntgen-Strahlung ausgesetzt und bin um Sprit-Kosten und Parkgebühren ärmer. Wäre ich jedoch zu Hause geblieben, wären mir die Gliedmaßen des eigenen Kindes offensichtlich schnuppe und wurscht gewesen.

Ich muss Beschwerden der Kinder ernst nehmen, darf mich aber gleichzeitig nicht veräppeln lassen.

Das immer richtig einzuschätzen: Schwer!
Dabei sollte ich es doch eigentlich besser wissen! Nach drei Kindern! Oder doch nicht? Wollte ich nicht damit aufhören, bei der kleinsten Kleinigkeit zum Arzt zu fahren?
Doch was, wenn es die Kinder nahezu fordern?

Und während sie nun zum Kühlschrank schlurft, beobachte ich mein Kind aus dem Augenwinkel.

Es sieht mich und legt nochmal verstärkt los. Hinkt, was das Zeug hält! Aha! 😉
Und wenngleich das Kind am Vormittag nicht in der Schule war, entschließe ich mich jetzt dazu, sie mit in die nachmittägliche Storytelling AG, welche ich unterrichte, mitzunehmen. Schließlich ist sie dort ebenfalls angemeldet und sitzen sollte ja wohl noch möglich sein.

Die Stimmung ist später prima! Der Unterricht läuft und wir wollen ein paar Vokabeln zur vorgetragenen Story an der Tafel sammeln. Spätestens als die Tochter versehentlich freudig an die Tafel sprinted, komme ich mir aber wirklich ein klein wenig veräppelt vor!
Trotz Diagnose.  😉

Ich komme nicht umhin, mir auch bezüglich des Themas Aufmerksamkeit Gedanken zu machen.

Ist klar, dass mir nun mein Gewissen abermals dazwischen funkt und mir derlei Fragen und Zweifel auferlegt. Warum sind meine Kinder so wehleidig geworden? Waren sie das schon immer? Warum zwickt und zwackt nahezu täglich bei der Mittleren etwas? Ausführlich berichtet sie mir von Kopfschmerzen, Halskratzen, angestoßenen Fußzehen oder selbst eingerissenen Fingernägeln. Alles ist sofort höchst dramatisch und bedarf unverzüglicher Fürsorge und Aufmerksamkeit! Ist es weil sie die Mittlere ist? Habe ich meine Kinder zu sehr verhätschelt? Oder zeige ich mich im Alltag gar zu sorglos?

Ich weiß es nicht, habe aber in der Vergangenheit einen Begriff dafür gefunden. Schmunzelnd nennen der Gatte und ich dies stets den “Norman Price Effekt”:

Wer kennt ihn nicht, den nervtötenden Rotschopf aus Feuerwehrmann Sam? Der, der stets die besorgte Mutter veräppelt und irgendwann aufgrund dessen an Glaubwürdigkeit einbüßen muss! Ich habe Angst, meiner Tochter irgendwann nicht mehr glauben zu können! Also fahr’ ich. Zähneknirschend. Zeige, dass ich mich kümmere. Lasse mich ausbremsen und büße kostbare Zeit ein!
Nicht ganz ohne festzustellen, dass ein bisschen Ausbremsen ja auch mal gut tut 😉

Und bevor ich jetzt ganz kirre werde, vor lauter Überlegen, beende ich diesen Text lieber an dieser Stelle.

Es hat nämlich gekracht und im Hintergrund brüllt schon wieder wer! 😉

Passt auf Eure Kinder auf!

Alles Liebe,

Eure

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