“Du bist ja schon ein wenig selbstverliebt”
meinte mein Vater vor ein paar Monaten einmal zu mir.
Als ich gerade dabei war, ein Selfie von mir zu machen.
Nein, es waren genau genommen mehrere Versuche.
Wie es eben so ist, versucht man, sich selbst einzufangen und wahrzunehmen.
Und ich bin immer wieder verblüfft und gleichermaßen auch bedrückt, wie falsch Menschen mit ihren Annahmen doch liegen können!
Warum machen Menschen Selfies?
Denn warum machen Menschen Selfies?
Wirklich nur, weil sie sich selbst für besonders toll und anziehend halten?
Damit jeder sieht, wie hübsch wir sein können und um zu reizen, Begierde auszulösen oder gar Phantasien anzuregen?
Nun, das mag ein Grund sein.
Insbesondere, stellen wir die Selbstbildnisse dann auch öffentlich in’s Netz.
Aber es ist wie so oft nur ein einziger Bruchteil des Mosaiks!
Denn es gibt so viel mehr Gründe, warum Menschen zum Mobiltelefon greifen und sich selbst fotografieren.
Immer und immer wieder.
Manchmal muss man sich selbst einfach direkt vor Augen führen, WER man eigentlich ist.
Und vor allem, dass man noch DA ist – noch existiert.
Es ist ein weiteres Auseinandersetzen mit sich selbst.
Auch wenn das primär im Inneren stattfinden sollte, so hilft es gleichermaßen, sich selbst zu sehen und wahrzunehmen.
Um zu erkennen, dass da auf dem Bild gar keine schreckliche Fratze entgegenblickt, obwohl das Gedankenmonster doch gerade wieder so sehr nagt.
Um sich selbst wieder wahrnehmen, anzunehmen und lesen zu können.
Manchmal brauchen wir Selfies auch, um uns selbst zu beweisen, dass wir schöne Seiten haben – und um uns immer wieder den notwendigen Ruck geben zu können.
Wir wollen unser eigenes Lachen und Strahlen wiederfinden – und sei es nur inszeniert auf einem Foto.
Dann ist es wenigstens ein Anfang.
Wenn schon sonst niemand mehr verliebte Fotos von uns schießt. 😉
Wir wollen uns auch manchmal mit Selfies trösten, fühlen wir uns verletzt und zurückgewiesen, unsichtbar und übersehen.
Wir Menschen machen Selfies, um uns selbst vor Augen zu halten, dass da auf dem Bild gar kein Loser erscheint, sondern ein Mensch, der es verdient hat, gemocht und geliebt zu werden!
Und wir machen Selfies, um uns selbst mitten in dem Leben zu SEHEN, in dem wir uns befinden – und um wieder an uns glauben zu können.
Um unserer eigenen Lebendigkeit Ausdruck verleihen zu können!
Es geht nicht darum, mit der ganzen Welt zu teilen, wie attraktiv und begehrenswert man ist – es geht darum zu zeigen, dass man einfach IST.
Ich BIN
Ein Mensch, ein Jemand, ein eigenständiges ICH.
Und jenes Selbstbildnis kann helfen, den eigenen Selbstwert wieder zu stärken!
Und JA!
Letzten Endes können wir mithilfe von Selfies ganz langsam versuchen, uns selbst wieder lieb zu haben.
Wir machen Selfies, um Momente einzufangen – gerührte, traurige, glückliche.
Als Zeichen der eigenen Lebendigkeit, um uns zu verdeutlichen, wer wir sind und wie wir fühlen.
Um uns zeigen und beweisen zu können:
ICH war DA. In diesem Moment.
Ich war fröhlich (oder stolz, dankbar…) und habe ihn gefühlt!
Auch aus diesen Gründen.
Die FRAU in mir
Und klar, ich mache auch Selfies, um mir zu zeigen, dass ich noch FRAU bin und nicht nur Mutter und Aschenblödel!
Um an mir selbst schöne und hübsche Seiten zu entdecken!
Um mich durch die Linse zu sehen!
So, wie es manchmal auch wunderschön sein kann, die Natur und Welt einfach mal bewusst nur durch die Fotoperspektive sehen zu wollen.
Vielleicht also sollen Selfies einfach auch der Weg ZU mehr Selbstliebe sein – oder wieder dahin ZURÜCK.
Nicht aber sind sie einfach nur ein Zeugnis davon – sondern noch so viel mehr…
P.S. Last but not least mache ich auch Selfies, damit Ihr einen Bezug zu der Person habt, die hier so viele gefühlsduselige, nachdenkliche und depressionistische Texte schreibt!
Ich finde das wichtig und es macht jede Zeile persönlicher, greifbarer!
Plus, fotografiert mich ja eben sonst niemand mehr freiwillig… 😉
Eure
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