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Höhen und Tiefen – Corona-Tagebuch – Tag 1

Der Zuversicht und befreienden inneren Ruhe, welche ich gestern noch wahrzunehmen glaubte, ist ein Tag voller Höhen und Tiefen gewichen.
Sehr emotionale Stunden mit nahezu schwindelerregenden Höhen und beängstigenden Tiefen liegen hinter mir. 

Und ich kann nur erahnen, welch einschneidende Veränderung die kommenden Wochen mit sich führen werden.
Innerhalb unserer Familie, uns selbst und der Welt da draußen.

Veränderungen, welche nicht immer positiv daher kommen oder von Harmonie getränkt stärken werden.
Doch will ich die Dinge wohl so annehmen, wie sie sich nun einmal ereignen werden.
Es wäre anmaßend zu glauben, hier nun eine Wahl zu haben.

Schien am frühen, sonnigen Morgen noch alles so friedlich – und der durchdachte Plan zum Greifen nahe – fand ich mich Stunden später gemeine Sätze an die meinen liebsten Menschen richten.

Aussagen, die gar nicht so gemeint waren und mir im Nachhinein unendlich leid taten.
Denn offensichtlich vergass’ ich neben all’ den guten Vorsätzen, den Kindern einen strukturierten, regelmäßigen Tagesablauf zu gestalten, den eigentlichen Menschen in mir drinnen.

Den verletzlichen und empfindsamen Menschen, den Worte aus dem Munde des eigenen Nachwuchses bis ins Mark treffen.
Der Mensch, dessen Gemüt dieser Tage schlackert wie ein dünnes Fähnchen im herben Februar-Sturm.

Ja, ich habe heute geweint

Und ich habe meine Kinder angeschrien!
Weil sie trotzig und gemein waren.
Weil sie realisierten, wie ernst uns die Sache mit der Handy & Co. Nutzung auch in den kommenden Tagen ist – und welche Einschränkungen noch auf sie zukommen werden.

Wir haben uns dazu entschieden, uns tatsächlich so gut wie komplett aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen.
Wir alle werden es ohnehin alsbald auferlegt bekommen und tun müssen. (Bis es eben auch der Letzte kapiert!)
Doch Änderungen anzunehmen und sich an neue Regeln zu gewöhnen ist nicht leicht.
Nicht für mich – und schon gar nicht für die Kinder!

Und während ich diese Zeilen hier schreibe, realisiere ich nun einmal mehr, dass ich den Kindern daher gar nicht böse sein kann.

Wir alle müssen viele neue und kleine Häppchen in den kommenden Tagen schlucken und verdauen.

Und sollten uns lieber einmal mehr umarmen statt einander anzukeifen.

Nun, ich werde diesen Tag wohl als etwas missglückten Prototypen abhaken müssen.
Morgen wird ein besserer Tag, ganz gewiss!

Tag 1 – und ich habe Respekt!

Es ist also Tag 1 und schon jetzt habe ich den größtmöglichen Respekt vor der herausfordernden nächsten Zeit.

Das gebe ich nunmehr, nachdem wir doch alle vereint am Abendessen-Tisch saßen, zusammen lachten und Scherze machten (und uns tatsächlich wieder lieb hatten) zu.

Aber auch dieser Tag hatte einige schöne Momente!

Denn wer kann schon einem gelebten Tag böse sein, der mit herrlichstem Sonnenschein und strahlend blauem Himmel beginnt?
Der Zeit schenkt, mit der warmen Tasse Kaffee in der Hand verträumt die vielen quietschfidelen Vögelchen am Nistkasten zu beobachten.
Ein Moment, den wir uns in einem Virus-freien Alltag ganz gewiss nicht nehmen könnten!

Ein Tag, der mich bereits am Morgen den Wischmopp schwingen ließ, weil gerade keinerlei Taxi- und Besorgungs-Touren wertvolle Lebenszeit rauben.
(Blenden wir nun einmal die Tatsache aus, dass dies unnötiges Putzen – kommt ja eh keiner vorbei – ebenfalls tun könnte! 😉 )

Stolz empfand ich ebenfalls an diesem Tag, als meine mittlere Tochter tatsächlich um acht Uhr morgens gebürstet und angezogen am Schreibtisch saß, um “in Echtzeit” ihre Schulaufgaben zu erledigen!
Rührung, als die kleinste, sonst so wilde, Tochter akribisch Bildchen klebte bei der gewünschten “Vorschul-Arbeit”.
(Sie wollte auch Homeschooling machen)
Und auch Zufriedenheit, als alle Schulkinder mit ihren Aufgaben fertig waren.

Doch machte sich an diesem einen Tag ebenfalls Enttäuschung und Frust breit.
Als ich einmal mehr realisieren musste, was bereits jetzt alles nicht mehr geht!
Dass der Reisepass für den Sohn nicht mehr beantragt werden kann, weil alle Ämter auf unbestimmte Zeit geschlossen sind.
Weil dieser Tag mir einmal mehr vor Augen führen wollte, dass in diesem Sommer wohl kaum ein Flieger mit fünf hessischen Familien-Mitgliedern gen Kanada abheben wird.

…die böse Mama im Herz ist durchgestrichen….

Zorn empfand ich, als die kleinste Tochter mich böse schimpfte und der Sohn uns als Zerstörer des eigenen Universums ansah.
(Sein Mobiltelefon wurde aufgrund eines Vorfalls vom Papa einkassiert).

Ungewissheit spürte ich, als wir uns in’s Auto setzten, um in die Heimatstadt zu fahren.
Den regelmäßigen Kinderarzt-Termin vom Sohn wollte ich noch wahrnehmen und die nötige Impfung der Kleinsten nachholen.
Da jedoch auch hier alle Leitungen “tot” schienen, blieb mir nur zu hoffen, nicht vor verschlossenen Türen zu stehen.
Ich tat es nicht und bin froh, wichtige Dinge noch erledigt zu wissen.

Wehmut empfand ich  bei dem Gedanken, heute nicht wie üblich im Anschluss Oma und Opa besuchen zu können, sondern direkt nach Hause fahren zu müssen – und auch ein Gefühl des Abschieds machte sich in mir breit.
Weil es ohnehin unklar ist, wann ich einige Menschen wiedersehen werde.

So, wie wir uns die nächsten Tage auf viele essentielle, einfache Dinge wieder besinnen müssen, nahm ich all’ diese Emotionen eines einzigen Tages heute einmal mehr wahr.
Verstärkt und intensiv.

Und das wird wohl auch noch lange Zeit so bleiben.

Eure 

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