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Und plötzlich lasse ich einen Wunsch hinter mir – “Abschiedsbrief” an mein viertes Kind

Hey Du! Kleines, zartes Wesen,

ich weiß, Du existierst gar nicht – und dennoch schreib’ ich Dir hier diesen Brief.

Sitze nicht wie sonst an meinem neuen provisorischen Schreibtisch, sondern umgeben von Kissen auf der Couch.

Denn ich muss mich gehen und fallen lassen können, um die folgenden Zeilen zu verfassen, zu lange habe ich diese Worte vor mir hergeschoben.

Vielleicht sogar, weil ich noch ein bisschen an einer Vorstellung festhalten wollte, weil ich eine Entscheidung, die längst fiel, nicht manifestiert in Worte fassen wollte.

Weil’s irgendwie – trotz allem – weh tut.

Kopf über Herz und Bauch

Dabei saßen wir schon im letzten Sommer an einem lauen Juli-Abend zusammen, der Gatte und ich.

Zikaden zirpten und die kroatische Sonne ging am Horizont über glitzernden Wellen unter.

Wir saßen auf der Veranda und schoben mit kleinen Tränchen in den Augenwinkeln Emotionen beiseite, um Fakten zu sammeln und einmal den Kopf über Herz und Bauch zu stellen.

Denn manchmal…

…erfordert das Leben genau dies, auch wenn es sich noch so blöde und eigenartig anfühlen mag.

Ja, sind nämlich auch Mitmenschen von unseren Entscheidungen betroffen, so gilt es auch manchmal das Herz – und pocht es noch so laut – auszuschließen.

Mit Absicht und ganz viel Bäh und Ätsch!

Denn sonst würden am Ende andere Herzen so viel leiser und kläglicher schlagen und vielleicht sogar aus dem Takt geraten.

Weißt Du, manchmal im Leben müssen Erwachsene reine Kopfentscheidungen treffen – und sich damit dann auch im Leben versöhnen.

Weil es besser für das Gesamte ist.

Und so nehme ich Abschied…

Ich werde hier mit diesen Zeilen Abschied von “Dir” nehmen.

Denn – sofern das Schicksal keine anderen Pläne mit uns hat – wir werden Dich nicht mehr als viertes Kind in unsere Mitte aufnehmen.

Wir wollen es nie mehr wagen und versuchen.
Können das nicht mehr und schaffen es nicht mehr.

Ja, einige Menschen in unserem Umfeld werden nun überrascht sein, doch warst Du noch viele, viele Jahre nach unserem dritten, so Lebens-bereichernden Kind, ein heimlich gehegtes Gedankenspiel!

Verbunden mit dem warmen, wohligen Gefühl, das Leben noch einmal herausfordern zu wollen.

Und doch haben sich die Dinge nun geändert.

Die Dinge haben sich geändert

Vor ein paar Wochen spürte ich zum allerersten Mal ganz deutlich, dass nun Zeit für diese Zeilen hier ist.

Als ich in einer Arztpraxis saß und jenem unverkennbaren Weinen und Schreien eines Neugeborenen lauschte.

Es traf und berührte mich nicht mehr, wie sonst in all’ den Jahren zuvor.

Der Drang intuitiv die Arme ausbreiten und das Kind an die Brust nehmen zu wollen, er war verschwunden und wich zum ersten Mal jenem für mich neuen Gefühl.

Dem Gefühl, “das” hinter mir gelassen zu haben und nicht wieder aufleben lassen zu wollen.

Ich ertappe mich dabei, wie ich seltener in Babyschalen schiele und die Zeiten, in welchen ich leere Einkaufswägen schaukelte, sind längst verflogen.

Gedankenverloren übersehe ich nun winzigste Frottee-Söckchen im Angebots-Regal des Kaffeerösters – und halte schon lange nicht mehr verzückt erste Strampler in der Hand.

Und doch merke ich, dass ich das alles schon noch “kann”!

Es wird wohl immer im Blut sein und bleiben, nur reichen mir nunmehr kleine, wohlige Baby-Momente aus.

Jetzt sind Andere an der Reihe

Weißt Du, ganz in der Nähe wohnt ein äußerst entzückendes kleines Wesen.

Ich habe es gerne in den letzten Monaten gehalten oder gar getröstet, freue mich jedes Mal über spontanen Besuch!

Und lasse verliebt Geschirr und Wäsche liegen, um verträumt erste Krabbel-Versuche zu beobachten.

Ich schmelze bei jedem Lachen und Jauchzen, welches mir zu entlocken gelingt, und staune mit der Mama über jeden einzelnen Fortschritt!

Aber jene Momente genügen wir!

Und im Anschluss widme ich mich gerne wieder meinen coolen, schon so großen Kindern!!!

Das ist neu, das bedeutet für mich innerer Abschied.

Denn ich glaube, ich möchte nicht mehr zurück auf Start.

Ich will nicht mehr zurück auf Start

Mag meinen Körper, den ich gefühlt erst gestern wieder für mich zurückgewonnen habe, nicht mehr hergeben.

Ich hab’ ihn wieder aufgepäppelt nach drei wundervollen Schwangerschaften, genieße die Zeit beim Sport –  und merke gleichzeitig dennoch, wie alt ich werde.
Vielleicht sogar eines Tages richtig, richtig krank.

Weißt Du, es wäre anders als damals noch mit 28.

ICH bin mittlerweile ein anderer Mensch.

Das merke ich nicht nur anhand des Körpers, der mir jene vierte Schwangerschaft sicherlich nicht mehr mit einer Leichtigkeit verzeihen würde, sondern ebenfalls spüre ich das in Seele und Geist.

Zu viele Emotionen und prägende Erlebnisse liegen hinter mir – ich könnte wohl nie wieder so blind in der Babyblase versinken, wie Frau es beim ersten Kind zu tun pflegt.

Das wäre nicht fair Dir gegenüber.

Deine Geschwister werden größer und brauchen mich dennoch weiterhin!

Das merke und spüre ich.
Tag für Tag für Tag.

Einen Einschnitt in unseren Alltag zu Fünft, den wir uns mühselig geformt und passend gemacht haben?

Der genau so für uns funktioniert und zumindest einigermaßen jedem Familien-Mitglied Gehör verschafft – jene Routine möchten wir bewusst nicht mehr zerstören.

Aus Liebe zu unseren drei Kindern und auch aus Achtsamkeit uns als Paar gegenüber.

Wir sind kein Neugeborenen-Elternpaar mehr

Ja, auch wir als Paar können uns einfach nicht mehr als Neugeborenen-Elternpaar sehen.

Es ist ein Abschnitt, von dem wir wohl nicht erst an jenem Sommerabend 2020 während dieser eigenartigen Pandemie Abschied nahmen.

Auch wir sind nicht mehr dieselben wie noch vor zehn Jahren, das “Wir” hat sich gewandelt.

Hey! Liebes,

Ich weiß, ich werde niemals Deine kleinen Händchen halten und Dir über das zarte Köpfchen streicheln.

Deine Stimme wird nie erklingen, dabei hätte ich noch so viel Liebe übrig!

Doch lernte ich vor etwas mehr als einem Jahr nun einmal, beim Begräbnis meiner liebsten Patentante, dass alles seine Zeit hat.

Es ist für uns nicht mehr die Zeit.

Ich muss mich neu finden, ohne ein Neugeborenes als Backup-Plan, denn auch das wäre Dir gegenüber nicht fair!
(Wenngleich ich Babys ganz gut kann! 😉 )

Muss mich neu finden – und fühle mich dieser Tage verlorener denn je!

Es war eine schöne Vorstellung

Weißt Du, ich hatte die Vorstellung von Dir sehr lieb!

Ich hab’ Dich lieb und im Geiste hatte jenes ausgemalte Konstrukt für eine Weile sogar gut funktioniert.

Doch dann blicke ich auf das, was wir bereits erreicht haben, der Gatte und ich.

Diese wunderbaren großen und mittelgroßen Kinder – und fühle mich im Reinen und versöhnt!

Denn dieses “Wir”, wie es genau jetzt ist, möchte ich um nichts auf der Welt gefährden!

Liebes viertes Kind, ich sage niemals nie.

Das tue ich in keiner Angelegenheit des Lebens.

Denn das ist nun einmal für seine unvorhergesehenen Überraschungen bekannt.

Aber ich habe eine Entscheidung getroffen.

Und sollte mir je einmal das Schicksal dazwischen funken wollen, so werden Herz, Arme (und auch Brust 😉 ) für Dich offen und bereit sein.

Alles Liebe,

Deine

Alex

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Wunderschön, stark und ehrlich!
    Wenn ich ehrlich sein darf hoffe ich irgendwann mal genauso zu denken! Ich liege gerade neben meiner ersten 4 Monate alten Tochter und kann mich nicht satt sehen und ich freue mich schon jetzt auf das Geschwisterchen wenn sie etwas größer ist, gleichzeitig habe ich gerade miterlebt wie meine Mama gerade den Auszug der letzten Tochter erlebt und habe nun etwas Respekt davor irgendwann mal an dem Punkt zu stehen wo es einfach nicht mehr möglich bzw. vertretbar ist ein Baby zu bekommen. Aber dein Brief zeigt mir das man sich weiterentwickelt und diese komische abgöttische Liebe die ich grad erfahren darf, sich einfach irgendwann etwas wandelt! Vielen Dank dir!

  2. Oh man…. habe gerade ähnliches hinter mir. 6 Monate alte Patchworkfamilie mit bereits 3 Kindern auf jeder Seite und nun war ich unter der Spirale schwanger geworden…. Am liebsten hätte ich dieses 4. Kind bekommen, aber wir wohnen noch nicht mal zusammen und unsere Kinder brauchen uns noch sehr. Es war eine reine Vernunft Entscheidung. Mir geht es nicht „ganz“ schlecht damit, aber ich werde immer daran denken müssen.

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