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Mein liebes Kind – Es ist Herbst und loslassen schwer

Als Du eben zur Haustüre raus bist, verschwunden in den kühlen, noch dusteren Morgen, musste ich mir ein paar Tränchen von den Wangen wischen.

Sie kommen oft in den letzten Tagen, aus den unterschiedlichsten Gründen und in so mancher Situation. Es ist Herbst.

Ganz alleine stand ich im Flur – ohne große Worte, ohne Umarmung, ohne Brotdose, die ich Dir als letzten Gruß mitgeben wollte.

Ich soll das nicht mehr machen, so Dein Wunsch, denn Hunger würdest Du ohnehin am Vormittag kaum verspüren.
Und ich respektiere – wenngleich es mir so schwer fällt und ich Dir doch Gutes tun möchte.

Ich lasse heimlichen Tränchen erst ihren Lauf, wenn Du verschwunden bist.

Meist nach kargen Worten – doch das kann ich in so früher Stunde mehr als nachvollziehen.

Ich bin nicht mehr “Mami” und auch nicht mehr Deine Heldin, in diesen Zeiten bin ich “Häh!?” und “Was!?” und “mach’ die Türe zu”. 😉

Aber das ist ok!

Ich weiß, dass das ok und normal ist!

Es ist eben jener (verdammte, verfluchte, verf****e – Pardon! Einmal fluchen! 😉 ) Lauf der Zeit.

Und ich muss jetzt stark sein.

Liebe in kleinen Gesten

Muss da sein, auch wenn ich vielleicht nicht offensichtlich danach gefragt werde – und heimlich meine Liebe schenken und spenden.

In Winzigkeiten, die nicht allzu nervig und auffällig sind.

In liebevollen, kleinen Gesten, die man besser nicht zu offensichtlich verspüren mag.

Puh, weißt Du, geliebtes Kind, das ist ganz schön schwer!

Ich realisiere jetzt – nachdem die Leichtigkeit des Sommers geht – wie schwer es fällt, Mama eines heranwachsenden Kindes zu sein.

I’ve been down this road before” könnte ich meinen, doch dieses Mal ist es ein klein wenig anders.

So wie eben Kinder nun einmal unterschiedlich sind.

Unaufhaltsam rinnt mir Zeit durch die Finger – ich werde alt. Und muss akzeptieren und hinnehmen.

Jeden Tag werde ich damit konfrontiert, wie vergänglich Phasen des Lebens – und sind sie noch so schön – sind und wie wenig ich dagegen tun kann.

Nie war die Erkenntnis präsenter als in diesen Tagen!

Nie saß der Schmerz tiefer.

Ich möchte mit den Fingern durch Deine Haare fahren und darf es nicht.
Soll besser nicht die Stirn küssen (mach ich aber trotzdem 😉 ) und muss mich zurückziehen wann immer es angebracht ist.

Die kostbaren Momente, in welchen ich zuhören und da sein darf, die gilt es gerade nicht zu übersehen!

Und es gilt, verletzten Stolz beiseite zu schieben, das Gefühl der Kränkung herunterzuschlucken.

Denn das ist gerade nicht angebracht. Das wäre nicht fair von mir.

Und so muss auch ICH vieles lernen – in diesen Zeiten. Im Herbst.

Muss mich in dieser Phase zurechtfinden.

Muss ein paar kuschelige Kissen um mich betten, die Seele mit Tee und Zuversicht streicheln – und lernen darauf zu vertrauen, dass Du noch immer da bist und für mich fühlst!

Ich mache mir manchmal Vorwürfe, suche den Fehler bei mir.
Denke, ich habe Dich zu schnell gehen lassen und zu sehr eigene Schritte gelehrt.
Und Dich zwischen den Geschwistern hin und wieder vergessen.

Habe Dir diese Eigenständigkeit, Selbstständigkeit und Verantwortung – alles im Grunde ganz wunderbare Tugenden! – unbewusst zu schnell antrainiert, vielleicht musstest Du zu früh alleine klarkommen und Dich durchboxen.

Vielleicht habe ich Dich damit auch für’s Leben gestärkt und ganz sicherlich bist das einfach auch zum Teil DU.
Und das ist wunderbar! Du bist wunderbar!

Es ist Dein Wesen – aber gerade wünsche ich mir hin und wieder mein kleines Mädchen zurück.

Es ist alles ganz normal, verrät mir Google!
(Ja, voll peinlich, ich weiß, ich habe diesen Lebensabschnitt tatsächlich gegoogelt – Ratgeber lese ich aber nicht. Immerhin 😉 ).

Ich werde mit dem Altern konfrontiert, Du breitest Flügel aus.

Ich bin immer für Dich da

Und ich kann Dich auffangen, wenn Du fällst und Dir ein heimeliges Nest bieten!

Immer dann, wenn Du zurückkommen magst.

(Ohne jedoch zu sehr in Deinen Bereich des Nestchens einzugreifen – wer unabhängig sein möchte, der ist auch für Ordnung und Hygiene in diesem Bereich zuständig! 😉 )

Ich darf Dich nicht mit meiner Liebe erdrücken und gleichzeitig nicht das Gefühl des Vergessens und der Gleichgültigkeit vermitteln.

Denn so wird es niemals sein.

Ich werde Dich für immer lieben und da sein, wann immer Du danach fragst!

Aber – weißt Du – dieser Abschnitt meines Lebens ist gerade sehr schwer.

Ich fühle mich so Orientierungs- und Bodenlos, kann Dir gerade gar kein starkes Vorbild sein.
Muss mich selbst und meinen Platz in diesem Leben wieder finden.

“Sei doch einfach mal glücklich”

meinte Dein Papa erst neulich zu mir.

Das ist vielleicht kein allzu gelungener und angemessener Ratschlag an Menschen, die das Leben zu sehr fühlen und hart spüren und sich alles und jeden viel zu sehr zu Herzen nehmen.

Aber hin und wieder tut solch ein Arschtritt auch gut.

Ja, ich mag weinen und früheren (Kinder-) Zeiten hinterhertrauern, mir geht das Leben zu schnell und dieser Herbst überfordert mich ein wenig.

Zu viele Emotionen wirbeln wie die ersten frischen Winde durcheinander.

Angst, Trauer, Verlust, Liebe, Dankbarkeit, Ehrfurcht, Wehmut – doch will und muss ich mich vermehrt wieder auf die positiven unter jenen Nomen, die in Deinem Alter glücklicherweise noch keine allzu große Rolle spielen, konzentrieren.

Wie wäre es mit Mut, Zuversicht, Vertrauen und Stolz!?

Denn oh ja! Was bin ich stolz, Deine Mama sein zu dürfen und auch darauf, was aus Dir geworden ist!

So, so unfassbar sehr!

Und so will ich auch mit Zuversicht den nächsten Jahren entgegenblicken und lernen, zu vertrauen!

Darauf, dass alles gut wird!

Denn so wie auf jeden Sommer immer wieder ein neuer Herbst folgt, muss ich lernen, auch in dieser Lebensphase die winzig-kleinen Schönheiten zu entdecken.

Muss mich an Momenten der Wärme und des Lichts erfreuen und den Farben, all’ jenen Besonderheiten, die es nur zu dieser Zeit zu entdecken gilt.

Vielleicht muss ich genauer hinschauen, weil der Herbst ein bisschen stiller und leiser (zu mir) ist – aber das Leben, welches ich liebe und schätze – das Kind – ist immer noch da!

Ich darf nur die Momente nicht übersehen, in welchen Wolken aufreißen und strahlendes Blau vom Himmel blitzt, darf sie nicht verpassen und zur rechten Zeit nutzen und mit offenen, liebenden Armen da sein.

Eines Tages werde ich Dich noch mehr ziehen lassen müssen

Und so will ich sie genießen und konservieren, die gemeinsamen Minuten am Esstisch, unser Lachen und die Sommer(-urlaube), die uns bleiben.

Möchte sie schätzen und mir Zeit nehmen!

Zeit für Gespräche, die ich zwar nicht auferlegen und erzwingen kann, die sich aber immer wieder ganz unverhofft und unerwartet ergeben.

Die dann richtig schön werden!

Und mag es keinen Tag versäumen, Dir zu sagen, wie lieb ich Dich habe.

Es ist Herbst. Auch der Herbst ist wunderschön. Doch loslassen fällt schwer.

Deine Mama &

Eure 

Alex

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Wunderschöner Beitrag, genauso fühl ich mich mit meinen beiden Töchtern die mich noch brauchen und trotzdem nicht mehr.. wunderschön , stolz, Wehmut liebe, Tränen, Freude alles miteinander 
    Danke das du deine Gedanken ausschreibst . Du sprichst mir aus der Seele doch kann ich das nicht auf Papier bringen. Danke das du das machst??

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