Es ist Sonntag-Abend, 21 Uhr und somit im Grunde fast schon zu spät, um dieses…
“Wischi, Wischi, Waschi, Wischi”: Vom Kinderlieder-Burnout
Es war Samstag Morgen. Nein, ich korrigiere: eher Vormittag. Ich räumte gerade das Frühstücksgeschirr weg (Ja! Wir sind Samstags spät!), da passierte es wieder. Irgendein Schlafanzug-Kind (immer noch spät!) schaltete den Fernseher an. Und im Hintergrund ertönte er. Der ultimative Sing-, Tanz-, Kreisch-, Hüpf- und Fremdschäm-Alarm mit Singa-ich-hab-lustige-Zöpfe & Co.
“A,E,I,O,U Du gehörst dazu”, gefolgt von überragenden Kreationen a la “Ich wasche meine Haare….Wischi, Wischi, Waschi, Wischi“…Ich hätte glatt auf`s übrig gebliebene Brötchen kotzen können! Oder vielleicht doch nicht?
Nicht weil’s so schrecklich ist! Bitte haltet mich jetzt nicht für einen Unmenschen, den leibhaftigen Albtraum jeder ambitionierten Vorzeige Mama, eine komplett förderignorante Mutter. Gut, ihr Erstlingsmütter dürft`s noch. Aber alle anderen Muttis da draußen, bitte versteht mich!
War ja auch nicht immer so. Es ist nur so: Ich hatte es mir so fest vorgenommen, regelrecht geschworen…Beim dritten Kind gibt`s keine Kompromisse! Zum Teufel mit den ganzen deutschen Kinderliedern. Überzeugt von meiner neuen Lässigkeit als Mehrfachmutter habe ich daher nach der Geburt meiner Jüngsten keinerlei Intentionen verspürt, die sorgfältig weggepackten und auf dem Dachboden (weit, weit weg!) verstauten CDs jemals wieder aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken.
Apropos…”Ach wie bin ich müde” oder “Guten Morgen, guten morgen” ? Vergiss es!! Passt schon alles! Die Dritte bekommen wir auch ohne Rossin, Zukowski, Jöker & Co. durch!
Nun, ich sollte die Folgen meiner vorsätzlichen Ignoranz zu spüren, pardon zu hören, bekommen.
Während meine Freundin – vor kurzem zum ersten Mal Mutter geworden – also voller Inbrunst im Auto einen Kinderweihnachts-, Frühjahrs-, Geburtstags- oder sonst was Song nach dem anderen mitsang, lies ich getrost einfach das Radio laufen.
Ich hätte gleich ahnen müssen, dass eine niedliche (jetzt) Vierjährige mit blonden Haaren und blauen Augen auf andere vielleicht etwas verstörend wirkt, wenn Sie plötzlich lauthals von Äxten im Bein, illegalen Fans, oder gar “Danke für den Kommentar, das gefällt mir, like mich am A……” singt! Und es hat mich Stunden gekostet, sie auf “like mich am Peep“ umzupolen.
Großer Gott!!! Was hatte ich nur getan?!
Vielleicht war`s doch der falsche Radiosender? Jedes einzelne Mal vergessen den Drehregler auf leise (sehr leise!) zu stellen?
Es hätte ja auch Nena sein können, die Einzige, der es meiner Meinung nach jemals gelungen ist, deutsche Kinderlieder cool und auch für Erwachsene erträglich zu verkaufen! Aber Peter Fox und Deichkind statt “Wir sind Wunderkinder?”. Nicht auszudenken, wie das im Flur der Elite Kita ankommt…Ein Fall von mütterlichem Totalversagen?
Und da war er wieder, der Gedanke, die quälende Frage. Hätte ich mir mit der musikalischen Früherziehung meiner Jüngsten vielleicht doch mehr Mühe geben sollen?
Warum nur habe ich meine über Jahre entwickelte Abneigung gegenüber den meisten deutschsprachigen Kinderliedern nur vor die Bedürfnisse meiner Kleinsten gestellt? Gut, sie wirkt bei Gorillaz, Coldplay und Seeed im Hintergrund jetzt nicht gerade sonderlich unglücklich. “Mama machst Du wieder das coole Lied drauf das ich sooo mag?”.
Aber wie ist es so weit gekommen? Am Anfang, beim ersten, vielleicht sogar noch beim zweiten Kind tun wir Mamas ja so, als finden wir jeden noch so stupiden Reim, jedes noch so kreissägenähnliches Gequake, herzallerliebst und zuckersüß. Vielleicht ist es auch wirklich so. Aber nach dem achtmillionsten Mal? Der ultimative Kindermusik Burnout.
Und dann war’s wieder soweit. Samstag. Es lief Kika und all meine Bedenken sollten sich mit nur einem Lied in Wohlgefallen auflösen. Singa und ihren Freunden war es gelungen, meine Mädels in ihren Bann zu ziehen (Wie, muss man als erwachsene Person wohl nicht verstehen).
Ausgelassen wurde gehüpft, getanzt und mitgesungen. In meinem Wohnzimmer. Der Brutstätte des Bösen. Zugegeben, ich neige zu gelegentlicher Übertreibung. Eine gewisse Erleichterung hingegen kann ich nicht abstreiten! Denn, alles war gut!
Liebe Muttis, macht Euch nicht so viele Gedanken! Ihr macht schon alles richtig! Es ist alles selbstregulierend und Kinder biegen manchmal ganz von selbst wieder alles gerade und rücken`s ins rechte Licht. Weil sie nämlich ganz toll und wunderbar sind. Eben doch Wunderkinder. Ganz sicher mit, aber eben manchmal auch ohne qualitativ hochwertiger Kindermusik, musikalischer Früherziehung, Baby Klanggarten & was es sonst noch geben mag.
Mittlerweile ertappe ich mich selbst wieder dabei, wie ich mit meinem “Baby“ das ein oder andere Kindergartenlied mitträllere und fast sogar ein bisschen gern habe. Vierjährige vs. von Kindergedönsliedern übersättigte Mutter? Ich geb mich geschlagen! Mehr als das sogar!
Zumal ich (ja ICH) plane, Kindergartenkindern die englische Sprache eben ganz musikalisch mit viel Spaß und Gesang näher zu bringen. Glaubt ihr jetzt nicht? Doch, ganz ehrlich. Freu ich mich sogar drauf! Denn wenn schon Kindermusik, dann doch bitte mit viel Eigenengagement und Anspruch.
Und im Auto? Bleibt alles so wie’s ist! Fast.
Bald ist übrigens wieder Samstag. Und überhaupt? Sind wir denn nicht alle ein bisschen “Wischi, Wischi, Waschi, Wischi…“?
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