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Puder-Rosa Insta-Welt: Wo bleibt denn jetzt die Realität?

Mein Blog feierte längst seinen ersten Geburtstag, doch Instagram lernte ich erst im Mai diesen Jahres kennen. Zu sehr weigerte ich mich zuvor, mich damit zu beschäftigen. Zu wenig verstand ich noch davon, wie die Dinge in der Social-Media-Welt funktionieren. Das weiß ich auch bis heute noch nicht so richtig, muss und möchte noch so viel mehr dazu lernen. Networking? Noch immer sehr unbeholfen, die wichtigen Tipps und Tricks noch lange nicht entdeckt! Doch ich musste schnell realisieren, dass ein Blog nicht nur mit leidenschaftlichem Schreiben allein überleben kann! 

Mittlerweile nutze ich Instagram sehr gerne. Mal schnell den eigenen Senf loswerden? Albernheiten verbreiten? Meinungen kundtun, die für einen Blog Post dann doch nicht in der Länge reichen? Wundervolle und auch traurige Momente festhalten und nach Bedarf (!) teilen? Das alles ist hier möglich!
Es kommt nur darauf an, was man eben aus “seinem” Instagram macht. Was es darstellen und präsentieren soll. Wodurch es lebendig werden und pulsieren soll! 

Das darf jeder frei wählen und ich schätze von ganzem Herzen all diejenigen, die sich dazu besonnen haben, mehr Realität auf Instagram zu zeigen!
Das wahre, unschöne, schmutzige Leben mit all’ seinen Ecken und Kanten.
Wut, Zorn, Empörung, Trauer, tiefste Rührung oder kleines Glück in Momenten!
Das mag ich an Instagram und ist auch mein Ding!

Doch scrolle ich zum Zeitvertreib durch den eigenen Feed, so verfolgt sie mich immer noch! Allen Gegenbewegungen zum Trotz. Diese Puder-rosa, pastellfarbene Fake-Insta-Welt. Es gibt sie noch immer zu genüge! Die Instagram-Accounts, die uns nur das Feinste, Schönste und Gerade-Gerückte präsentieren wollen. Und all’ denen würde ich so gerne das Folgende schreiben: 

Liebe “Lifestyle-Mütter”, “Insta- und Working-Mums”,

Ihr postet uns klinisch reine, höchst schicke und nett dekorierte Eingangs-Hallen und berichtet uns darunter gleichzeitig vom “Chaos” des heutigen Tages? Wie kann das gehen? Wo ist das Chaos? Denn ich sehe es auf dem Bild leider nicht!

Und stellt Ihr Euch wirklich jeden einzelnen verdammten Morgen frische Blümchen auf den Esstisch?! Nur für Euch selbst? Unter dem Deckmäntelchen der Selbstfürsorge?  Damit die Latte daneben nicht nur schäumt, sondern vor Freude fast aus dem hübschen Einmach-Gläschen, in welches ihr sie gezwungen habt, hüpft?
Aber das ginge ja wiederum nicht, es gäbe ja hässliche Flecken auf dem hübsch-blassen Weiß Eures Esstisches.

Oder besser Arbeitsplatz. Denn ihr seid ja selbstverständlich bereits wieder fleißig am Arbeiten. Wie ihr stets betont, damit es auch dem Letzten von uns nicht entgeht. “Working-Mum” nennt ihr Euch in den Hashtags und stets in der Ecke des Bildes zu sehen: Die Laptop-Tastatur.
Nur nochmal zur wiederholten Sicherheit, damit wir’s schnallen:
Ihr seid also fleißig, erfolgreich UND gleichzeitig Einrichtungs-, Pardon “Interior”-Talente!

Und was hat es mit Eurem Sonntags-Frühstück auf sich?

Das Ihr immer so gern postet! Das “Familien-Frühstück” ohne Familie drin! In Echt? Feinst eingedeckt mit frischen Wiesen-Blumen? Jeden verflixten einzelnen Sonntag-Morgen?
Was machen Eure Kinder, während Ihr den hübschen Tisch für’s Insta-Bild herrichtet? Kratzen sie ausgesperrt, verzweifelt und hungrig mit den Fingernägeln gegen die Hochglanz-Türe! Heulen und Kreischen sie vor Verzweiflung ob der Mutter, die nun seit gefühlten Stunden die Vase in’s rechte Licht rückt und den Schaum nochmal aufpustet?

Wann dürfen die denn endlich essen? Und Kakao-verschütten? Und Brötchen unter den Tisch plumpsen lassen, feinste Servietten zerfetzen und Schokolade gegen die Leinen schmieren? Wie war das mit der Realität auf Instagram? Sehe ich bei Euch nix, liebe “Lifestyle-Mütter“! Denn so nennt Ihr Euch ebenfalls.

Doch der Knüller ist:

Die Masche zieht! Ihr seid diejenigen mit den 20K Followern! Pastell rockt und ist erfolgreich! Denn offensichtlich wollen wir  alle verarscht werden!
Wir stehen halt auf die hübschen Bildchen in Weiß-Rosa! Die heile Welt!
Etwas, nach dem wir schweißgebadet tagtäglich streben können! Ein Ziel, welches wir niemals erreichen! Nur Ihr, unsere Göttinnen in Alabaster-weiß, Ihr schafft das!
Ihr lasst uns Euch bewundern mit Likes und Herzen, lasst Euch umschleimen und Euch nacheifern!

Weil wir insgeheim alle gerne die Familie aus der Werbung wären.

Die, aus den Werbe-Spots für den extra gesunden Brotbelag.
(Sorry, sollte ich da nun falsch liegen, schon lange keine Werbung mehr gesehen 😉 ).
Eine Familie aber, die Händchen-haltend in weißen Sommerkleidern und Gänseblümchen-Haarkranz barfuß über die vom Morgentau überzogenen Wiese hüpft.

Was früher die Wurst-Werbung ist heute also anscheinend das perfekte Insta-Bild! 😉
Eines, in dem Kinder-Spuren selbstverständlich nichts verloren haben. Wir sehen stattdessen hübsche Wohnlandschaften mit ausgefallenen Kissen, alle farblich aufeinander abgestimmt –  doch keinerlei Fremdkörper oder gar kleine Rotznasen im Bild! Ein Leben wie frisch aus dem Möbelkatalog!

Wie wäre es einfach mal stattdessen mit einem Schnappschuss vom Noro-Virus auf der Tagesdecke des lichtdurchfluteten Eltern-Schlafzimmers ? Die zerschepperte Vase mit den längst verwelkten Nelken? Die Schokoladen-Hände im Treppenhaus?

Nein! Anscheinend wollen noch immer viele Menschen den Filter!
Weich-gezeichnete und mühsam inszenierte Pics!

Doch hört’s bei der Inneneinrichtung ja nicht auf:

Ihr geht also im Leoparden-Blümchen-Whatever-Flatter-Kleid und feinsten Wildleder-Boots zum Discounter? Ernsthaft?
Und wen habt Ihr für die “Schnappschüsse” bestochen? Die Euch mit wehendem Kleidchen, verwegenem Haar und selig lächelndem Baby auf dem Arm über den Asphalt schweben lassen!? Wie viele Anläufe und (Kinder-) Beruhigungs-Versuche hat’s gebraucht!? Alles für das perfekte Foto?

Was wollt Ihr denn damit erreichen?

Ihr “kreativen Köpfe” wie Ihr Euch auch gerne bezeichnet?
Dass am Ende des Tages “Lieschen Müller” aus dem Fleischerei-Fachhandel verzweifelt den Kopf auf den mit Butterbrot-Resten überzogenen Küchentisch fallen lässt? Geknickt und frustriert, Eurer heilen Insta-Welt wieder einmal nicht auch nur annähernd nahe gekommen zu sein? Mit dem Gefühl, versagt zu haben und nix im Griff zu haben? Nichts wert zu sein und als Hausfrau und Mutter ein Total-Versager? Zumindest könnten auch das Eure Bildchen vermitteln! Schon mal drüber nachgedacht?

Denn wenn ihr schon von authentisch redet und auch über wahre Alltagsprobleme schreibt, dann doch bitte mit dem passenden Foto dazu! Ein Chaos-Tag hat nix mit einer vorzeigbaren Diele zu tun! Beim “Chaos-Tag” blitzen uns keine rosa Blümchen im Sonnenlicht entgegen!

Nun, ich möchte mein Instagram nicht dazu nutzen, andere Mütter zu verkackeiern!

Ich pupse keine rosa-Schmetterlinge!  Denn das wäre vergleichbar mit dem, was Einige uns hier vormachen wollen. Was viele vorgemacht bekommen wollen!
Weil’s auch mal ganz nett ist, allem einen Schleier zu überziehen und die Realität zu vertuschen und zu verdrängen!

oznorAber während Ihr fleißig Likes sammelt, bin ich ab und an viel lieber damit beschäftigt, meinen Mädels an einem sonnigen Oktober-Tag beim Baby-Schweinchen-füttern zuzusehen!
Schafen auf der Weide die Zunge heraus zu strecken und laut entgegen zu määhen und dem alten Pony, welches treu und geduldig meine Mädchen über den Acker trägt, die Flanke zu tätscheln! Die frische Luft in mich aufzusaugen und das Leben zu genießen! Ein Sein und Leben, welches nun einmal leider endlich ist! Jederzeit!
Und welches Ihr damit vergeudet, Porzellan in’s rechte Licht zu rücken!

Ich möchte schreiben, ich liebe es zu bloggen, ich weiß die Macht von Social Media zu schätzen und habe den größten Respekt davor. Ich weiß wie bedeutsam dies alles ist – denn hier trifft sich nun einmal alles. Hier entstehen Kontakte und Zukunftspläne! Blogger werden zu Autoren, Autoren zu Blogger, Lebenskünstler, Marketing-Menschen – das alles trifft sich nun einmal auf diesen Plattformen!
Aber: Ich möchte ICH bleiben und meine ehrliche Welt zeigen!

Ich möchte nicht meine Kinder ankeifen,  weil mir in keiner Ecke des eigenen Hauses auch nur auf Anhieb ein adäquates Foto gelingen mag!

PicsArt_10-23-11.54.03Ich möchte nicht mein Frühstück posten! 

Das mit den frischen Himbeeren und Getreideflocken.
Hübsch platziert ebenfalls neben der saisonalen Esstisch-Dekoration!
Da beiß’ ich lieber jeden Morgen in den Hintern! Im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn MEIN Lieblings-Frühstück nennt sich hessisch “Bobbes”, besteht aus purem weißen Zucker, Tonnen an Marzipan und jeder Menge Glücksgefühle!

So, und nun fallt über mich her! Zerfleischt mich ruhig.
Oder nehmt’s einfach nicht so ernst! 😉

Denn eben gerade? Ganz im Unterbewusstsein? Habe ich mich dabei ertappt!
Wie ich mit dem Zeigefinger schob. Die rosa Gerbera.
Nicht selbst fürs Foto gekauft, sondern geschenkt von der mittleren Tochter!
Sie stand irgendwie nicht im rechten Winkel. Schmeichelte nicht meinem Auge, unfähig, so meine Seele zu streicheln. Sie wieder sanft zu stimmen und gnädig. Mit Euch und damit Euch die Bildchen zu verzeihen. Denn Ihr meint es nur gut, wie Ihr ebenfalls stets betont. Grausam und schmutzig ist das Leben ja schließlich genug.

Ach sieht gerade eigentlich ganz nett aus. Moment. Das muss ich eigentlich mal kurz festhalten. Das könnte ein hübsches, nettes Instagram-Bildchen werden.

Nur für Euch! Eine Sekunde Heile Welt! 😉

Eure

Alex

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Ich mag die rosa-Fotos-Instagrammer. Umgeschütteten Kakao und Wäscheberge habe ich auch selbst zuhause. Ich mag es beim Bloggen, wenn jemand wirklich un authentisch ist. Ist ja auch mehr Text. Bei heile-Welt-Bloggern habe ich bei jedem Wort ein Gefühl des Lugs und Betrugs. Hingegen kann ich die Instagramm-Fotos betrachten und denken: „Wenn ich das ganze Chaos in einer Zimmerecke zusammenschöbe, könnte ich auch so ein Foto machen mit der Bildunterschrift : Hier herrschte eben das totale Chaos!“ Und es wäre ja auch die Wahrheit, denn ich rede ja nur über den Bildausschnitt ?.

    1. …und vielleicht muss man auch nur lange genug diesen einen Bild Ausschnitt anschauen, diese eine aufgeräumte Ecke und alles fühlt sich gleich besser an! “Schnüffle“ am Insta-Foto und die Welt ist wieder bunt und schön! Pardon, rosa natürlich! ;)) Ganz liebe Grüße!

  2. Ich habe mich köstlich amüsiert, danke dafür.
    Ich bin schon lange bei Insta, habe vor lauter “einfach nur Spaß haben” verpasst rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen.
    Mist, meine Kinder sind 9 und 12 – niedlich ist vorbei, ich bin 50, Ach Du Sch… wem sollte ich da noch gefallen?
    Working Mum, auch nix, ich bin für die Kinder zu Hause geblieben, Blumen mag ich im Garten und nicht in der Vase und mein Laptop ist schwarz, für coole Fotos müsste es aber weiß sein.
    So dümple ich also durch Insta, habe das Gefühl keiner hat mich lieb und poste mein unperfektes Leben in unperfekten Bildern.
    Ach und wenn ich schon höre, ich mag perfekte Instabilder, unperfekt hab ich ja schon zu Hause, ist für mich wie Frauentausch schauen, weil man selbst ja super perfekt ist und ein bisschen Proll im Leben auch mal ganz nett anzuschauen ist….

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